Denn nach Mauenheim bei Tuttlingen wird Lippertsreute das zweite "Bioenergiedorf" in Baden-Württemberg werden, seinen Strom ab Herbst im Prinzip selbst produzieren und 60 bis 70 Prozent der Wärme aus dem neuen Blockheizkraftwerk in Wackenhausen beziehen. Gespeist wird es mit Biogas vom Hof Schönbuch, wo die Singener Firma Solarcomplex mit Landwirt Vogler schon seit fast drei Jahren eine Biogasanlage betreibt und dessen erweiterte Kapazität auch für die Versorgung Lippertsreutes mit einem Wärmeäquivalent von 120000 Litern Heizöl noch ausreicht.
Gestern war offizieller Baubeginn für das Nahwärmenetz des Teilorts und ein mächtiges Schild kündet seitdem vom "Bioenergiedorf Lippertsreute". Zahllose Anrufe habe sie schon am frühen Morgen erhalten, sagte Ortsvorsteherin Edeltraud Kessler vor ihrem symbolischen Spatenstich im Cockpit eines Kleinbaggers. "Ich hoffe, dass wir im Oktober eine warme Stube haben", zeigte sie sich nach den Ausführungen von Solarcomplex-Geschäftsführer Bene Müller zuversichtlich. Insgesamt über 60 Gebäude, darunter die kommunalen Einrichtungen wie Luibrechthalle, Schule, Rathaus und Kindergarten, Gewerbebetriebe und private Wohnhäuser, werden angeschlossen.
Für die Grundlast reicht das Energiepotenzial des Biogases aus, für Spitzenlastzeiten im Winter wird eine ergänzende Holzhackschnitzelheizung entstehen. Eine lexikalische Definition für den Begriff "Bioenergiedorf" gebe es zwar noch nicht, erklärte Müller. Doch wenn mehr als die Hälfte des Wärmebedarfs eines Ortes aus regenerativen Quellen gedeckt würden, sei der Begriff sicher angemessen. Insgesamt investiert Solarcomplex rund 1,6 Millionen Euro. Ein Drittel davon sei Eigenkapital der Anteilseigner, zwei Drittel würden über die Sparkasse Bodensee von der KfW-Bank finanziert. Aufgrund des Vorbildcharakters habe das Land dem Lippertsreuter Projekt eine Förderung von bis zu 250000 Euro zugesprochen. Durch die Einspeisung des Stroms werden im Vergleich zum herkömmlichen bundesdeutschen Strommix rund 720 Tonnen Kohlendioxid eingespart, weitere 900 Tonnen Reduktion sind auf die Nutzung der Abwärme bzw. die Hackschnitzelheizung zurückzuführen. Für Bene Müller ist es zudem ein großer Pluspunkt, dass das Geld und die Wertschöpfung in der Region bleiben.
"Die Stadt hat von Anfang an hinter dem Projekt gestanden", erklärte Oberbürgermeister Volkmar Weber. Es passe auch hervorragend zum Marketing des Erholungsorts. Die Kooperationsbereitschaft der Kommune habe Überlingen mit den Konditionen beim Konzessionsvertrag signalisiert. Auch wenn das Vorhaben in gewisser Weise auch in Konkurrenz zu den eigenen Stadtwerken stünden, die inzwischen selbst Gaslieferant seien.
Insgesamt müssen rund vier Kilometer an Leitungen für das in Wackenhausen mit rund 80 Grad eingespeisten Wassers verlegt werden. Bis Ende Juni sollen Tiefbauarbeiten der Owinger Firma Viellieber und die Rohrverlegung durch die Firma Schäfer (Dotternhausen) abgeschlossen sein, damit Anfang die Hauptfeiern des Jubiläums zum 850-jährigen Bestehen nicht gestört werden. Anschliend müssen die Hausanschlüsse angebracht werden. Schon ab September, spätestens Anfang Oktober, sollen die Haushalte mit Nahwärme beliefert werden - und dies zu einem günstigen Preis.